DAS ZOOLOGISCHE MUSEUM VON SVENDBORG

Ein Kindheitstraum wurde Wirklichkeit

Harald Thomsen und das Zoologische Museum von Svendborg

einem brennenden Interesse für Tiere und einer Sammelwut, die ein innovatives naturhistorisches Museum entstehen ließen, das im heutigen Naturama weiterlebt. Am 2. Juni 1935 trat der 35-jährige Redakteur Harald Thomsen vor den Haupteingang der neuen Museumsgebäude an der Straße Dronningemaen und hieß die Bürger von Svendborg in der neuen Touristenattraktion der Stadt, dem Zoologischen Museum von Svendborg, willkommen.

Als er vor dem charakteristischen achteckigen Turm des Museums mit seinen gelben, handgefertigten Ziegelsteinen und schwarzen Friesen stand, konnte Harald Thomsen an seinen Kindheitstraum zurückdenken, ein naturhistorisches Museum zu schaffen. Der Traum entstand, als er als 6-jähriger Junge in Hobro seine Sammlerkarriere mit einer Ausstellung von Muscheln begann, die er von seiner Großmutter bekommen hatte.

Und er wurde nach und nach Wirklichkeit, als es das Gehalt als Journalist und später als Redakteur dem vogelinteressierten Harald ermöglichte, eine einzigartige Sammlung von ausgestopften Tieren zusammenzustellen. Harald Thomsen war 1928 nach Svendborg gekommen, um eine Stelle als Lokalredakteur bei der Zeitung Fyns Venstreblad anzutreten. Er wurde schnell zu einem bekannten Original im Stadtbild. Später war er Redakteur bei der Zeitung Svendborg Avis, dem Vorläufer der Fyns Amts Avis.

1930 hörte Harald Thomsen bei einer Jagd von einer großen Vogelsammlung, die der Graf von Egeskov Slot bei Fjellebroen aufbewahrte. Vier Jahre später gelang es Harald Thomsen, dem Grafen Ahlefeldt Laurvig die Vogelsammlung abzukaufen. Er vereinte diese Sammlung mit seiner eigenen und besaß dadurch mit einem Schlag eine nahezu komplette Sammlung der dänischen Vögel und ihrer Eier. Nun konnte Thomsen seinen Traum realisieren. Der Stadtrat von Svendborg unterstützte einstimmig seine Idee, ein zoologisches Museum zu bauen, schenkte ihm ein Baugrundstück und bürgte für das Darlehen für den Bau.

Harald Thomsen sah an jenem Junitag im Jahre 1935 stolz und glücklich zu, wie der Bürgermeister von Svendborg, Herr Tønnesen, die Seidenschnur vor dem Eingang durchschnitt. Thomsen wollte die Zoologie lebendig und interessant machen, indem er das Museum ständig weiterentwickelte. Bis zu seinem Tod im Jahre 1969 erweiterte Harald Thomsen mehrmals die Sammlung des Museums, die zu Beginn auch lebende Tiere umfasste – Schlangen, Vögel, Fische und sogar einen Pinguin! Pfauen stolzierten über das Grundstück, und später wurde ein Affenhaus gebaut, in dem u. a. der Pavian Lasse das Sagen hatte. Harald Thomsen musste das Affenhaus aber wieder schließen, weil die Nachbarn den Lärm der Tiere nicht mehr ertragen konnten. Verglichen mit dem neuen Naturama machen die alten Gebäude des Museums heute keinen besonderen Eindruck. Die Philosophie Thomsens lebt jedoch in der modernen Art und Weise weiter, wie Naturama die Natur zum Leben erweckt – wir wollen immer noch Träume Wirklichkeit werden lassen!

EIN UNIKUM MIT VIELEN SEITEN

Das Zoologische Museum von Svendborg und Naturama sind unlöslich mit der Person des Gründers Harald Thomsen verbunden. Aber wer war dieser Harald Thomsen? Zoologe, Sammler, Tierfreund, Kaufmann, Redakteur, Schriftsteller und Maler sind lediglich einige der Titel, mit denen man ihn beschreiben kann. Das Zoologische Museum von Svendborg war natürlich seine größte Tat und sein Vermächtnis. Er schrieb aber auch mehr als 700 Novellen und mehrere Kriminalromane, und seine Tätigkeit als Redakteur ist unvergessen. Harald Thomsen war ein Unikum – ein Original im besten Sinne. Sein Fleiß war legendär. In braunem Anzug und Knickerbockers, stets auf der Suche nach neuen Objekten für seine Sammlung, sparsam und mit einem ausgeprägten Geschäftssinn – man erzählte sich viele Geschichten und Anekdoten über ihn!

Harald Thomsen erzählte auch gerne selbst Anekdoten – z. B. von dem jungen Mann, der kurz nach der Eröffnung des Museums mit einem toten Vogel in der Hand auf dem Gartenweg des Museums auf ihn zuging. Er hatte den Vogel auf Südfünen geschossen und wollte ihn nun an den Museumsleiter verkaufen. „Du musst aber mindestens fünf Kronen für ihn bezahlen“, sagte der junge Jäger zu Thomsen. „Es muss ein seltener Brachvogel sein.“ Thomsen gab ihm die fünf Kronen. Am Gartentor drehte sich der junge Mann um und sagte: „Hätte ich nicht selbst fünf Kronen verlangt, hättest du mich wahrscheinlich übers Ohr gehauen.“ „Dann hättest du fünfzig Kronen bekommen“, antwortete Thomsen. Der Vogel war nämlich ein Ibis-Männchen, das man nur selten in Dänemark antrifft.

DER SINGENDE PINGUIN

Harald Thomsen besaß eine beeindruckende Sammlung von ausgestopften dänischen Tieren. In den Anfangsjahren des Museums hielt er aber auch lebende Tiere. Einige von ihnen wurden zu seinen besonderen, exotischen Freunden. Einer der Grundgedanken von Harald Thomsen war, die Tiere im Zoologischen Museum von Svendborg in einer natürlichen Umgebung auszustellen. In den ersten Jahren beließ er es aber nicht bei ausgestopften Tieren. In den Außenbereichen des Museums lebten u. a. Affen und Pfauen und in den Museumsgebäuden Alligatoren und Schlangen. In den ersten elf Jahren des Museums war der Pinguin Ping zudem Harald Thomsens treuer Begleiter. Ping, zahm wie ein Hund, wurde 1934 im Limfjord bei Jegindø gefangen. Er war wahrscheinlich von einem vorbeifahrenden Walfänger entkommen. Der kleine Brillenpinguin wohnte in einem besonders eingerichteten Haus hinter dem Museum. Und wenn Harald Thomsen ab und zu im Radio vorlas, war Ping auch dabei und gab Kostproben seines Gesangstalentes.

DIE WÜRGESCHLANGE

Harald Thomsen besaß ein weiteres Haustier – eine acht Meter lange Würgeschlange, die eine Zeit lang zusammen mit Alligatorenjungen in einem Ausstellungsraum lebte, in dem sich auch ein großes Aquarium mit 15.000 Litern Wasser befand. Thomsen nahm die Schlange jeden Tag aus dem Terrarium, um in seiner Wohnung Schlangenbeschwörer zu spielen. Als sich die Schlange eines Tages um Thomsen gewickelt hatte, trat plötzlich ein Museumsbesucher in den Raum, der sich verirrt hatte. Die Schlange erschrak und reagierte, indem sie sich um Thomsen zusammenzog. Wenn eine Würgeschlange töten möchte, blockiert sie ihre Muskeln. Deshalb dauerte es mehrere Stunden, bis Harald Thomsen – völlig außer Atem – wieder freikam. Typisch für Thomsen: Seine Sympathie gehörte dennoch der Schlange. Sein einziger Kommentar lautete: „Die Schlange kann ja nichts dafür, dass der Mann ein Idiot ist.“